Selbstbau-Projekt – Die eigene Wohnkabine auf einen Peugeot Boxer – Teil 1 – Vorüberlegungen und Planung

Selbstbau-Projekt – Die eigene Wohnkabine auf einen Peugeot Boxer – Teil 1 – Vorüberlegungen und Planung post thumbnail image

Wilhelm Klinke aus Mönchengladbach hat es erneut getan! Nachdem der pensionierte Vollbluttechniker und Handwerker bereits im Jahr 2016 einen kompletten Kastenwagen im Selbstausbau umgebaut hat (hier geht es zum Bericht), juckte es ihn während der Coronaphase erneut in den Fingern: Diesmal hat er eine GFK-Sandwichkabine auf einem Peugeot Boxer Fahrgestell platziert und eine Vielzahl von technischen Einbauten vorgenommen. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Christa entstand so in einem Zeitraum von knapp 1,5-Jahren ein neues Traummobil genau nach den Wünschen der langjährigen Reisemobilfans.

Wir begleiten diese spannende Reise vom Start hin bis zur Fertigstellung des Projekts in dieser Serie in drei Teilen!

Selbstausbau-Projekte der Familie Klinke. (Foto: Klinke)

Selbstausbau-Projekte der Familie Klinke. (Foto: Klinke)

Vorüberlegungen und Planung der neuen Kabine

Mit dem 2016er-Eigenausbau, einem Kastenwagen auf einem Citroen Jumper L3H3, reisten die Klinkes durch Europa von Norwegen bis Albanien und von Estland bis nach Andalusien. Das 6-Meter-Gefährt verrichtete klaglos seinen Dienst und der Bauherr konnte zahlreiche Erfahrungen sammeln, wie man so ein Fahrzeug noch im Detail verbessern kann. Als dann die Corona-Zeit anbrach, beschränkten sich die Reisen mit dem Jumper zunächst auf deutsche Regionen. So ging es ins Sauerland, das Emsland, Ostfriesland und weitere gut erreichbare Ziele. Auch einmal Zeeland in den Niederlanden war dabei. Da das Ende der pandemiebedingten Beschränkungen nicht abzusehen war, reifte bei den Camping-Freunden vom Niederrhein der Wunsch nach einem ausfüllenden, neuen Projekt.

Dadurch lag dann der Gedanke nahe, ein Reisemobil mit einer größeren Kabine zu bauen, um die Reisen noch bequemer zu gestalten. Denn Platz ist ja bekanntlich durch nichts zu ersetzen, als durch noch mehr Platz.

In Teil 1 des Berichts haben wir die Vorüberlegungen und den Kabinenbau beschrieben.

In Teil 2 des Berichts wird der Innenausbau und die Bordelektrik umfassend dargestellt.

In Teil 3 des Berichts wird die Technik näher erklärt und der Weg zum TÜV-Siegel.

Erste Anfragen bei GfK-Herstellern

Die Familie Klinke schickte also im Spätsommer 2020 erste Anfragen an renomierte GfK-Hersteller. Doch diese winkten gleich ab: Lieferzeit coronabedingt mindestens ein Jahr, eher 2! Mögliche Unterstützung bei Plänen oder technischen Zeichnungen: Gleich Null! Daher war schnell der Entschluss bei Wilhelm Klinke und seiner Ehefrau gereift: Wir machen es wieder in Eigenregie! Das Projekt Boxer war geboren!

Projekt-Start: Wilhelm Klinke übernimmt das Fahrgestell des Peugeot Boxer. (Foto: Klinke)

Projekt-Start: Wilhelm Klinke übernimmt das Fahrgestell des Peugeot Boxer. (Foto: Klinke)

Die Planung wurde verfeinert und Angebote zu Fahrgestellen eingeholt. Gewählt wurde schließlich ein Peugeot-Boxer-Fahrgestell mit Normal-Rahmen, lieferwagentypischer Spurweite und langem Radstand. Vorteilhaft ist die gewählte Pritschenwagen-Rahmenhöhe – hiermit kann man einen stufenlosen Fußboden bis in das Führerhaus hinein planen. Ein weiterer, sehr wesentlicher Vorteil: Dieses Fahrgestell ist auch auf dem Gebrauchtfahrzeug-Markt verfügbar. 

Zur vorgesehenen Gesamtlänge von 7 m passt auch die Fahrzeuggröße L3, lediglich eine kurze Rahmenverlängerung ist nachzurüsten.

Selbstausbauprojekt für Profis: Vom Fahrgestell zum Wohnmobil. (Grafik: Klinke)

Selbstausbauprojekt für Profis: Vom Fahrgestell zum Wohnmobil. (Grafik: Klinke)

Kabine und Innenraumgestaltung

Die Fahrzeugkabine sollte auf jeden Fall mehr Platz für die Reisenden bieten und so entschied sich die Familie Klinke für mehrere Vorgaben, welche ihnen dabei helfen:

Die Kabine bekommt keine Heckgarage!

Durch diesen Design-Kniff ergeben sich mehrere handfeste Vorteile für die Kabine:

  1. Man spart sich die Bodenabsenkung unter dem Bettbereich; muss keine Stufen zum Bett erstellen.
  2. Bei einer Heckgarage muss zwangsläufig der Sanitärraum nach vorne verlegt werden, er behindert die freie Sichtachse und die Stehfläche vor der Küche.
  3. Beim Einbau einer Dusche im Heck gibt es keine Behinderung durch Radkästen und die Nutzung der vollen Innenbreite verspricht ein komfortables Badezimmer.
  4. Weiterhin ermöglicht eine wegfallende Heckgarage eine niedrige Bettposition auf dem stufenfreien Fußboden, der Kleiderschrank kann in Augenhöhe angeordnet werden und die Bauhöhe der Hängeschränke muss im Bettbereich nicht reduziert werden.
Keine Heckgarage: Der Design-Kniff bringt Vorteile. (Grafik: Klinke)

Keine Heckgarage: Der Design-Kniff bringt Vorteile. (Grafik: Klinke)

Die Sitzbank erhält keinen Gurtbock!

Eine weitere Vorgabe für die Kabine war, dass die Sitzbank ohne den schweren Gurtbock eingebaut wird. Geschätzt über 80% aller Wohnmobilisten reisen als Paar, ihre Mobile verfügen jedoch über üblicherweise vier Gurtplätze. Dies empfinden Christa und Wilhelm Klinke für ihr eigenes Reiseverhalten aber als überflüssig. Die Mönchengladbacher gestalteten die Sitzbank daher ohne einen schweren Gurtbock mit bequem geneigter Rückenlehne. Der große Vorteil: Dadurch können etwa 50 kg Mehrgewicht und Probleme bei der Nachweisführung der Sitzbock-Krafteinleitung elegant vermieden werden.

Einzelbetten vor dem quer eingebauten Sanitärraum

Die Selbstausbauer haben sich zudem für Einzelbetten entschieden. Durch diese Anordnung ergibt sich eine durchgängige Sichtachse im gesamten Fahrzeug und der Boden ist vollständig stufenfrei. Gerade bei längeren Urlaubsfahrten ergeben sich dadurch erhebliche Komfort-Vorteile. Den fehlenden Stauraum der nicht eingebauten Heckgarage kompensieren die zahlreichen Wand- und Hängeschränke im Fahrzeug.

Die gangseitigen Wandungen sind so abgeknickt, dass sich die maximale Gangbreite im Küchenbereich ergibt, der zusammen mit dem Eingangsbereich eine ausreichende Bewegungsfläche darstellt. Küchenarbeiten zu zweit sind auch bei ausgezogenen Schubladen möglich. Der Boden geht stufenfrei in den leicht ansteigenden Führerhausboden über.

Design-Kniffe machen es möglich. Gerade Sichtachse durch den gesamten Innenraum. (Foto: Klinke)

Design-Kniffe machen es möglich. Gerade Sichtachse durch den gesamten Innenraum. (Foto: Klinke)

Kleinteilige Überlegungen sind das Salz in der Selbstbauer-Suppe

Ein Selbstbauer-Projekt lebt von den vielen, vielen Vorüberlegungen, Erfahrungen und Einflüssen, welche das Fahrzeug letztlich für die individuellen Ansprüche perfekt macht.

Wilhelm Klinke schreibt in seinen Unterlagen zum Boxer-Projekt:

Die Küche verfügt über vier Schubladen und eine relativ große Ablagefläche, die sich durch einen Auszug noch vergrößern lässt. In Testberichten werden große Spülbecken gelobt, das hier gewählte Becken ist eher klein und geht damit sparsam mit dem Warmwasser um. Der Abfallbehälter befindet sich nicht an der Tür, sondern in dem oberen Teil eines Auszuges an der Küchenstirnseite. Somit können Küchenabfälle auf schnellen Weg entsorgt werden, besser als in den Abfallbehälter an der womöglich geöffneten Außentür. In die untere Hälfte des Auszug-Faches passen genau vier Weinflaschen.

Alle Servicebereiche befinden sich hinten links: WC-Cassettenfach, Wassereinfüllung und Wasserablass sowie davor der Landstromanschluss. Beim Rangieren an der Entsorgungsstation hat man diesen Bereich gut im Blickfeld des Rückspiegels, das Finden der genauen Entleerungsposition unterstützt eine Bodenkamera. Rechts hinten ist die Heizung angeordnet.

Man sieht also: Erfahrung, Enthusiasmus und Einfallsreichtum prägen den Erfolg des Projekts!

Weitere Ausbauschritte der Kabine

In den nächsten Monaten ging es also an den Ausbau der Kabine.

Selbstausbau von der Pike auf: Montage der Wandelemente. (Foto: Klinke)

Selbstausbau von der Pike auf: Montage der Wandelemente. (Foto: Klinke)

Fußbodenteile vor dem Zusammenbau. (Foto: Klinke)

Fußbodenteile vor dem Zusammenbau. (Foto: Klinke)

Handwerk und Handarbeit: Der Gepäckalkoven wird gebaut. (Foto: Klinke)

Handwerk und Handarbeit: Der Gepäckalkoven wird gebaut. (Foto: Klinke)

Vorher: Die Hängeschrankklapen werden in Form gebracht und verleimt. (Foto: Klinke)

Vorher: Die Hängeschrankklapen werden in Form gebracht und verleimt. (Foto: Klinke)

Nachher: Die Hängeschrankklappen sind im Fahrzeug verbaut und schaffen Platz und Atmosphäre. (Foto: Klinke)

Nachher: Die Hängeschrankklappen sind im Fahrzeug verbaut und schaffen Platz und Atmosphäre. (Foto: Klinke)

Kabine auf Maß: Die Klappe des Außenstauraums auf der rechten Seite. (Foto: Klinke)

Kabine auf Maß: Die Klappe des Außenstauraums auf der rechten Seite. (Foto: Klinke)

Die Kabine steht, nun geht es an den Innenausbau!

Nachdem die Gfk-Außenhaut auf das Chassis des Peugeot Boxer geschraubt worden ist, beginnt der gezielte Innenausbau des gesamten Fahrzeugs. Wie wir in Teil 2 der Ausbau-Geschichte noch sehen werden, müssen zahlreiche Entscheidungen getroffen werden, damit das Reisemobil alle Anforderungen zur vollsten Zufriedenheit der Eigentümer erfüllt. Nun kommen weitere Gewerke, wie die Elektrik und der Sanitärbereich voll zur Geltung.

Lesen Sie weiter im Teil 2 hier

Innenansicht der Gfk-Kabine vor Ausbaubeginn. (Foto: Klinke)

Innenansicht der Gfk-Kabine vor Ausbaubeginn. (Foto: Klinke)


Coolnessfaktor: 09/10. Ein Reisemobil mit den eigenen Händen und völlig nach den eigenen Vorstellungen zu bauen ist sicher ein Traum, den viele Reisemobilfreunde im Geheimen hegen. Mit dem Selbstbau-Projekt der Familie Klinke zeigen wir, dass es möglich ist, den eigenen Wunsch in die Realität umzusetzen. Viele Tipps und Hinweise teilt hier ein Fachmann und seine Fachfrau direkt in einem Projekt unmittelbar aus der Praxis. Das finden wir von We love C sehr cool!

Weitere Informationen

https://www.juboduselbstausbau.de/das-boxer-projekt

Zum Bericht Teil 1: Vorüberlegungen, Planungen und Kabinenbau

Zum Bericht Teil 2: Innenausbau, Sanitär und Elektrik

Zum Bericht Teil 3: TÜV und Technik

Wilhelm Klinke ist gelernter Tischler und Stellmacher.
(c) Familie Klinke

(c) Familie Klinke

Nach einem Studium im Bereich Maschinenbau und Kunststofftechnik hat er rund 40 Jahre im Bereich von Leichtflugzeugbau und Konstruktion gearbeitet. Beste Voraussetzungen also, um gemeinsam mit seiner Frau Christa die Erfahrungen im “Projekt Boxer” beim Selbstbau einer eigenen Wohnkabine umzusetzen. Die Familie Klinke gibt ihr Wissen auf Anfrage gerne weiter. Email-Anfragen können gerichtet werden an: boxer@online.de

Hinweis: Für das Projekt Selbstbau Boxer wurden auch zahlreiche Planungsunterlagen und Fertigungsunterlagen erstellt, die gegen eine geringe Gebühr zu erhalten sind.

Basisfahrzeug Peugeot Boxer Fahrgestell 435 L3 BlueHDi140
Motor 4-Takt-Diesel/103 kW/140 PS/2179 cm³
Schadstoffklasse Euro 6d temp
Getriebe mechanisch, 6 Gang
Sitzplätze/Schlafplätze 2/2 (2 Gurtplätze ausschl. im Führerhaus)
Maße LxBxH 6970 x 2300 x 2850 mm
Zul. Gesamtmasse 3500 kg
Leermasse §21StVZO 2935 kg
Masse im fahrbereiten Zustand 3042 kg (alle Flüssigkeiten & Zusatzeinbauten)
Ausstattung 2 x Airbags, ESP, ABS, DSC/ASR, DAB, Rückfahr-
kamera, autom. Klima, Tempomat, Luftfederung hi.

Das gesamte Projekt wird ausführlich auf YouTube dokumentiert:

Wir von “We love C” sind für Datensparsamkeit.
Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.

Zur YouTube-Datenschutzrichtlinie

Bitte beachten Sie: Mit dem Start des Videos stimmen Sie der Übertragung und Weiterverarbeitung von Daten durch YouTube zu.

Planungsunterlagen und Fertigungsunterlagen direkt erhältlich!

Um einmal exemplarisch zu zeigen, welche umfassenden Arbeiten in diesem Selbstau-Projekt stecken, können Sie hier einen Auszug der Planungsunterlagen zu den GFK-Wänden mit Mengenangaben sehen. Weitere Informationen sind direkt bei der Familie Klinke erhältlich.

Akribische Vorbereitung hilft: Auszug aus den Planungsunterlagen für das Projekt "Peugeot Boxer". (Grafik: Klinke)

Akribische Vorbereitung hilft: Auszug aus den Planungsunterlagen für das Projekt “Peugeot Boxer”. (Grafik: Klinke)

 

Cool! Das teile ich...

2 thoughts on “Selbstbau-Projekt – Die eigene Wohnkabine auf einen Peugeot Boxer – Teil 1 – Vorüberlegungen und Planung”

Comments are closed.

Das haben andere Leser angeklickt...